Fach- und Teillose zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen

 

 

Fach- und Teillose zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen

Die Teil- und / oder Fachlosvergabe hat die Regel zu sein, die Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe darf nur in Ausnahmefällen stattfinden. Kommt eine Ausnahme vom Gebot der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen in Betracht, muss sich der Auftraggeber in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und dagegensprechenden Gründen umfassend auseinandersetzen.

 

Sachverhalt:

Durch eine bundesweit tätige gesetzliche Krankenkasse wurde im Offenen Verfahren ein Rahmenvertrag über Postdienstleistungen mit einer Laufzeit von 48 Monaten ausgeschrieben. Der Auftrag war in zwei Lose unterteilt. Los 1 umfasste die bundesweite Zustellung von Standardbriefen. Los 2 die bundesweite Zustellung von Standard-, Kompakt-, Groß- und Maxibriefen. Die Auftragswerte betrugen 16,9 Mio. € und 3,9 Mio. €. Nebenangebote waren zugelassen.

Die Eignungsanforderung technische und berufliche Leistungsfähigkeit war durch zwei vergleichbare Referenzaufträge mit mindestens zweijähriger Laufzeit und durchschnittlich mind. 80 % des Sendungsvolumens im jeweiligen Los nachzuweisen. Der Preis wurde mit 50 % gewichtet, qualitative Aspekte des Konzepts wie Laufzeitquote, Umgang mit Zustellhemmnissen und Reklamationen gingen mit ebenfalls 50 % in die Wertung ein.

Antragstellerin (ASt) war ein ansässiger mittelständiger Postdienstleister, welcher regional tätig ist. Zustellungen außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs erfolgen durch Partnerunternehmen im gesamten Bundesgebiet. Die ASt rügte das Unterlassen einer Losbildung mit Blick auf die Zustellregionen und das Unterlassen einer Sortierung nach Leitregionen jeweils als vergaberechtswidrig. Regionale Postdienstleister würden hierdurch benachteiligt. Die Ausschreibung sei auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnitten. Mit anwaltlicher Vertretung bekräftigte die ASt ihr Rüge.

Die Antragsgegnerin (AG) wies die Rüge zurück. Eine Losbildung nach Leitregionen, führe vorliegend zu einer unwirtschaftlichen Bildung von 100 Losen. Ein Zuschnitt von Gebietslosen auf bestimmte Unternehmen könne nicht verlangt werden.

Es folgten noch zwei Bekräftigungen der Rüge, dann wurde ein Nachprüfungsantrag eingereicht. Durch den Verzicht auf die Bildung von Teillosen für einzelne Postleitregionen wurde das Vergabeverfahren auf eine einzige Bieterin zugeschnitten.

Die Vergabekammer hat der AG eine Zuschlagserteilung untersagt und ihr bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Wiederholung des Vergabeverfahrens aufgegeben. Die Rüge der unterlassenen Gebietslosteilung sei begründet. Mittelständische Postdienstleister seien aufgrund der geforderten technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit sich am Vergabeverfahren zu beteiligen. Von einer der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen dienenden Losaufteilung dürfe nur bei überwiegenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen abgesehen werden. Der von der AG angeführte Mehraufwand für die Anpassung der IT-Systeme in Höhe von ca. 125.000 € rechtfertige einen Verzicht auf die Losaufteilung nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgemäß eingereichte Beschwerde der AG.

 

Beschluss:

Ohne Erfolg! Die Vergabekammer hat der AG zu Recht die Erteilung des Zuschlags untersagt. Die unterbliebene Bildung von Teillosen in Form von Gebietslosen verstößt gegen das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen.

Regional tätige Postdienstleister können selbst nur in ihren jeweiligen Regionen Postzustellungen leisten. Dadurch werden diese durch eine nicht in Gebietslose unterteilte Ausschreibung für bundesweit zu erbringende Postdienstleistungen an der Abgabe eines Angebotes behindert.

Verweist die AG auf die Werbung der ASt mit einem bundesweiten Zustellnetz, beruht dieses auf der Kooperation mit 120 Partnern. Auf eine solche Möglichkeit der Abwicklung überwiegender Teile des Auftrags über Nachunternehmer können interessierte Unternehmen nicht verwiesen werden, da kaum noch praktisch wirksamer Wettbewerbsspielraum bleibt.

Durch die Bildung von (Teil-)Losen soll mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, sich mit Aussicht auf Erfolg an Vergabeverfahren zu beteiligen. Dabei muss nicht jedem am Markt tätigen Unternehmen eine Beteiligung ermöglicht werden, Ausschreibungen müssen nicht auf bestimmte Unternehmen zugeschnitten sein. Bei der Aufteilung in Lose ist zu berücksichtigen, ob die konkreten Marktverhältnisse dazu führen, dass sich nur wenige oder auch nur ein Bieter Angebote einreichen.

 

Praxistipp:

Für eine Gesamtvergabe sollen Auftraggeber sich nur dann entscheiden, wenn dafür anerkennenswerte wirtschaftliche oder technische Gründe bestehen. Dennoch kann eine Gesamtvergabe ohne Losaufteilung in verschiedenen Kontexten vorteilhaft sein. So könnte Anbietern ermöglicht werden Synergien zu nutzen und wettbewerbsfähigere Angebote zu erstellen. Gleiches gilt, wenn Ressourcen oder Verträge eng miteinander verknüpft sind und eine Losaufteilung zu Schwierigkeiten oder Inkonsistenzen führen würde.

Zu beachten ist immer, dass die Entscheidung für eine Gesamtvergabe ohne Losaufteilung von den spezifischen Umständen abhängt und sorgfältig abgewogen werden muss. Ggf. ist der Begründung ein Szenario beizufügen, welches die wirtschaftlichen oder technischen Folgen einer Aufteilung in Lose den Vorteilen einer Gesamtvergabe gegenüberstellt.  

 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2022, Verg 40/21

 

Ansprechpartner:
Lars Wiedemann, wiedemann@abst-mv.de, 0385-61738110

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